Heimliche Bergresidenzen

1. Tegelberghäuser

Im Jahr 1857 besuchte Kronprinz Ludwig zum ersten Mal das Jagdhaus seines Vaters, König Maximilian II. von Bayern, auf dem Tegelberg (1707m). Unmittelbar neben dem königlichen Haus, befand sich auch eine Unterkunft für die Bediensteten. Auch nach der Thronbesteigung 1864 blieben Aufenthalte in der Jagdhütte auf dem Tegelberg ein fester Bestandteil seines Lebens.  Der Auf- und Abstieg, beziehungsweise die Auf- und Abfahrt, führte den königlichen Tross meistens von Schloss Hohenschwangau aus über die Bleckenaustraße und auf dem Reitweg an der Ahornhütte vorbei zu den Häusern hinauf. Laut den Aufzeichnungen bewohnte der König die Tegelberghäuser vom 17. bis zum 21.August 1885 wohl zum letzten Mal. 
(Foto: Gemeinde Schwangau)

Der Maler Friedrich Wilhelm Pfeifer porträtierte im Auftrag des Königs 1867 die dunkelbraune Stute "Editha". Das Gemälde befindet sich im Original im Marstallmuseum von Schloss Nymphenburg in München und gehört zu einer Serie von Bildnissen der edlen Reitpferde von Ludwig II. von Bayern, quasi einer "Schönheitengalerie des königlichen Marstalls". Die sechsundzwanzig Pferde-Porträts von Pfeiffer entstanden zwischen den Jahren 1866 und 1879. Das Gemälde von "Editha" entstand "in Hohenschwangau, auf dem Weg zum Tegelberg beim Branderschrofen". Ebenfalls darauf abgebildet ist der Sattelmeister Karl Hesselschwerdt.
(Quelle: Ausstellungskatalog Friedrich Wilhelm Pfeiffer)

2. Brunnenkopfhäuser

Am 20.Juni 1842 kündigte sich in der Schwaige Linder Hof im Graswangtal unerwarteter Besuch an, der die dort beschäftigten Arbeiter des Gestütes Schwaiganger in Aufregung versetzte: Kronprinz Maximilian von Bayern. Der hohe Gast wurde im Nebengebäude des Linder-Hofes einquartiert. In seinem Zimmer soll es nur zwei Betten und einen Tisch ohne Stühle gegeben haben. Das tat Maximilians Begeisterung für die Gegend keinen Abbruch. Bereits ab dem folgenden Jahr gastierte er dreimal während Jagdausflügen im Nebengebäude des Linder-Hofes, dem sogenannten "Zuhaus". Das Gestüt Schwaiganger sah sich genötigt, das Nebenhaus für den königlichen Gast herzurichten und ständig freizuhalten. Kurz nach seiner Thronbesteigung 1848 ließ König Maximilian II. das "Zuhaus" durch seinen Architekten Ziebland umbauen,  befahl den Bau einer Straße von Hohenschwangau, über Pinswang und den Plansee ins Graswangtal und ließ nun regelmäßig Revierjagden rund um das Linder-Hof Anwesen abhalten. Zudem ordnete er 1854 und 1855 den Bau zweier Jagdhütten oberhalb der Schwaige an. Eine auf dem Pürschling, die andere unterhalb des Brunnenkopfes. Die Hütten wurden durch einem Höhenweg verbunden, sodass man in knapp zwei Stunden von einem Gemsenreichen Jagdrevier ins andere wechseln konnte. (Foto Brunnenkopfhäuser: H. Kronburger)

Maximilians Sohn und Nachfolger König Ludwig II. begleitete seinen Vater das erste Mal im Jahr 1860, anlässlich der Oberammergauer Passionsspiele nach Linder-Hof. Auch nach seiner Thronbesteigung ritt er regelmäßig ins Graswangtal, jedoch nicht zur Jagd, sondern wie er an Richard Wagner schrieb "könne er nur dort, fern der Welt, freie Luft zum atmen finden". 1869 kaufte der junge König dem Gestüt Schwaiganger das Linder-Hof Anwesen ab und befahl umgehend einen Anbau an das "Zuhaus", das seit Maximilians Zeit den Namen "Königshäuserl" trug. Die Jagdhütten seines Vaters besuchte der König in einem beinahe regelmäßigen Turnus. Das untere der beiden Brunnenkopfhäuser diente dem König zum Aufenthalt. Nur zwei simpel eingerichtete Räume, ein Arbeits- und ein Schlafzimmer standen ihm darin zur Verfügung. Im Schlafzimmer befand sich ein versteckter Durchschlupf für den Lakaien, der von seinen Raum im hinteren Teil der Hütte aus, durch einen schmalen Gang in die Räume des Königs gelangte. In der Nähe des Dienerzimmers existierte auch ein Klosett. Die Küche und weitere Räume für das Personal waren in der oberen Hütte untergebracht. Der Küchenjunge Theodor Hirneiß beschreibt, wie solche königlichen Aufenthalte in der Bergeinsamkeit abliefen: "Die nächsten Wochen sind wir wieder bald da, bald dort: Vom 24. bis 27. Juni (1885) gehts auf den Brunnenkopf. Dann übersiedeln wir nach dem benachbarten Pürschling, wo der Aufenthalt wieder drei Tage dauert. Diese beiden Berge sind von Linderhof aus zu erreichen. Wie immer bei solchen Bergpartien zieht mit uns eine ganze Karawane den Berg hinauf, schwer bepackt mit Kochgeschirr und Tafelservice und mit Speisevorräten für mehrere Tage."  (Foto: Markus Richter)

3. Bleckenau

Zwischen Schloss Neuschwanstein und Schloss Linderhof liegt auf 1168 Metern Höhe das einfache Jagdhaus "Bleckenau". Der Weg führt von Hohenschwangau aus, hinter der Marienbrücke vorbei und immer am Pöllatbach entlang.
König Maximilian II. ließ die Hütte im Stil eines "Schweizer Hauses"  von 1846 bis 1850 errichten und zwar als Nachbildung eines Gebäudes im Park von Königin Maries Vater, Prinz Wilhelm von Preußen,  im schlesischen Fischbach.
Die "Bleckenau" wird umrahmt von den Felswänden des Säulings, des Zunderkopfs, des Schlagsteins und des Straußbergs.
Königin Marie liebte die einfache Unterkunft und nutzte es auch regelmäßig als Ausgangspunkt oder Zwischenstation bei ihren ausgedehnten Wanderungen und Bergpartien. So steht in der Schlosschronik von Hohenschwangau am 29. Juli 1863 folgender Eintrag:

"Morgens acht Uhr begaben sich Ihre Majestät die Königin mit Allerhöchst Dero Frau Obersthofmeisterin Gräfin von der Mühle und der Hofdame Freyin von Redwitz zu Wagen, Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz Ludwig und Prinz Otto in Begleitung des Herrn Oberst Grafen von La Rosée und Herrn Artiellerie Hauptmann Orff, sämtliche zu Pferde, in die Blöckenau, machten von da eine Fußparthie in den niederen Straußberg, wo Alpenrosen gepflückt wurden."
Die originale Aufnahme der "Blöckenau" stammt aus der Chronik des Schwangauer Dorflehrers Alois Left und ist datiert aus dem Jahr 1882 (mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Schwangau)

Alljährlich am 6. Januar fand in der "Bleckenau" das sogenannte Bohnenfest statt. König Ludwig II. lud die Armen der Umgebung und die Dienerschaft zum Essen und Trinken ein. Dabei weilte der König auf dem Balkon im ersten Stock und beobachtete das bunte Treiben vor der Hütte. 
Am 13. August 1864 schreibt Ludwig folgende Zeilen in das Gästebuch der Bleckenau:
"Wie freu ich mich Dich wieder zu begrüßen, Du stilles Haus, nach langer, langer Zeit! Vergnügt begrüß ich dieses Baches friedliche Fließen, Euch Bäume und Euch Berge weit und breit. Ich athme hier der Berge frische Lüfte, Erfreu an des Himmels klarem Blau. Es Grüßen mich der Blumen süße Düfte, auf ihren Blättern liegt des Himmels frischer Thau. So sag ich dieser Gegend nun, der hehren, Mein Aufenthalt wird lange noch hier währen."  (Foto: Mario Praxmarer)

4. Herzogstand

Als der "Herzogstand" wird ein Gebirgsstock oberhalb der Ortschaft Walchensee bezeichnet. Bereits im Jahr 1859 ließ König Maximilian II. von Bayern einen Reitweg dort hinauf anlegen und von seinem Architekten Friedrich von Ziebland unterhalb des Gipfels eine Jagdhütte planen. Maximilians Sohn und Nachfolger Ludwig II. zeigte sich ebenfalls begeistert vom Herzogstand. Bereits ab Ende 1865 plante man für den jungen Monarchen ein weiteres Haus, mit einer Aussichtsplattform auf dem Dach. Das neue Haus entstand etwas oberhalb von der ersten Hütte. Im Sommer 1867 wurde das Mobiliar angeliefert. Das Hauptgebäude umfasste inklusive den Räumen für Bedienstete insgesamt acht Zimmern. Zeitgleich baute man den Reitweg aus, damit man auch mit einem leichten Bergwagen hinauffahren konnte.

Zudem ließ Ludwig II. auf den drei umliegenden Berggipfeln kleine Pavillons errichten: dem Herzogstand, dem Fahrenberg und dem Martinskopf. Der Pavillon auf dem Martinskopf wurde später sogar zu einem "Speisehäuschen nebst Kochhütte" umgebaut. Sieben Jahre nach dem Tod von Ludwig II. brannte er nach einem Blitzeinschlag ab und wurde nicht mehr aufgebaut. Auch der Pavillon auf dem Fahrenberg wurde nach der Jahrhundertwende abgebaut. Der Belvédère auf dem Herzogstandgipfel brannte 1893 nieder, allerdings fünf Jahre später durch die königliche Vermögensverwaltung wieder erbaut. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr den beiden Königshäusern unterhalb des Herzogstandes. Das Jagdhaus von König Maximillan brannte 1895 ab. Die wieder erbaute Hütte nutzte die Alpenvereinssektion München als Gasthaus. Das Haus von Ludwig II. wurde zum Schlafhaus umfunktioniert. 1990 brannten die Häuser bis auf die Grundmauern nieder.

(Quellen: H. Heindl - Gottfried von Böhm - M. Praxmarer - Fotos: F. Finsterlin - Ölgemälde W. Pfeifer)

5. Kenzenhütte

"Eines 30. Juni fährt der König zum Forsthaus Kenzen mit seinem idyllischen Wasserfall. Der Forstmeister hat seinem König eine hübsche Überraschung dargebracht; während seiner Abwesenheit hat er einen reizenden Springbrunnen vor dem Försterhaus anbringen lassen...Eine weitere Überraschung harrt noch des Königs! Fachleute des Hoftheaters sind anwesend und haben eine festliche Beleuchtung des Wasserfalls inszeniert. In allen Farben stürzt das schäumende Wasser herab, bengalische Feuerzauber spiegelnd und sich in einem tiefen, violett leuchtenden Bassin sammelnd...", berichtet der ehemalige Hofkoch Theodor Hierneis in seinen Erinnerungen.

Das Kenzengebiet unterhalb der Hochplatte bei Halblech dient bereits seit dem späten 18. Jahrhundert für die Hofjagd. König Maximilian II. von Bayern lässt darin eine Jägerhütte errichten und kauft dem Kloster Ettal eine nahegelegene Branntweinbrennerhütte ab. Diese baut sein Nachfolger Ludwig II. im Jahr 1866 zu einem Jägerhäusl um. Kurz darauf muss die Hütte seines Vaters einer neuen "Waldresidenz" weichen, neben die noch eine Unterkunft für die Lakaien gebaut wird. Etwas unterhalb entstehen Stallungen. Ab 1872 verbringt König Ludwig II. einmal jährlich etwa eine Woche in der Kenzenhütte, meist Ende Juni oder Mitte Juli. Die Kenzenhütte ist, wie alle Bergresidenzen Ludwigs, in den Postkreislauf des Hofes eingebunden. Entgegen dem Irrglauben, dass Ludwig II. die laut Verfassung vorgeschriebene Regierungsarbeit vernachlässigt habe, erledigt er auch in den abgelegensten Gebieten den täglichen  Schriftverkehr gewissenhaft und vollständig.
Leider wird die "Waldresidenz" des Königs und das Lakaien-Haus im Kenzen nach 1939 von einem Jagdpächter abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Die ehemalige Branntweinbrennerhütte, also das spätere Jägerhäusl, ist die heutige Kenzenhütte, die zur gemütlichen Einkehr einlädt. Die Stallungen werden für eine Nutzung durch die Bergwacht umgebaut. Den Bau der Zufahrtsstraße beginnt König Maximilian II. 1859 und wird durch Ludwig II. vollendet. Westlich unterhalb der ehemaligen "Waldresidenz" befindet sich eine herrliche Bergwiese mit einer kleinen Kapelle, der sog. Wankerfleck. Hier soll sich Ludwig II. besonders gern aufgehalten haben. 
(Foto 1: Xaver Lang, Foto 2: unbekannt - Quellen: Theodor Hirneis, Waldkörperschaft Buching-Trauchgau, Franz Merta)